Ist der ORF ist in Gefahr ? Ja sagen die Redakteursvertreter und fordern wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit. Redakteure äußern scharfe Kritik.
Die ORF-Redakteure an die Politik appelliert, bei einer künftigen ORF-Reform parteipolitische Interessen hintanzustellen. Sie befürchten nämlich, „dass es der Politik auch diesmal nicht darum gehen wird, das Programm noch besser zu machen und unabhängigen Journalismus zu stärken – sondern um das Durchsetzen eigener parteipolitischen Interessen“, schrieben sie in einer Resolution.
Der Redakteursausschuss (mit den Redakteurssprechern aller ORF-Bereiche) beschloss diese am Freitag einstimmig. Darin wird auch kritisiert, dass die politischen Parteien „Stimmung gegen den ORF machen“. Dies habe sich im Wahlkampf wieder gezeigt.
Nun, bei den Regierungsverhandlungen, sei einmal mehr mit Debatten über eine Reform des ORF-Gesetzes zu rechnen. Und dabei dürfe es „nicht um parteipolitische Interessen gehen, nicht um möglichst viel Einfluss der Politik im Programm. Sondern – ganz im Sinne des Vorbilds BBC – um das Fördern des Zusammenhalts des Landes, um die Möglichkeit, alle BürgerInnen am demokratischen Diskurs besser informiert teilnehmen lassen“, so der Aufruf der Belegschaft. Dafür brauche es „breitenwirksames Programm mit hoher Reichweite“, keinesfalls aber eine „Zerschlagung des ORF zugunsten von kapitalkräftigen privaten Investoren“.
Vielmehr müsse die Politik den ORF stärken bzw. seine „ökonomische Basis“ abgesichert werden, denn die Redaktionen seien nach den „zahlreichen Sparprogrammen der vergangenen Jahre ausgedünnt“. Von der ORF-Geschäftsführung schließlich fordern die Redakteure, „dass nicht Strukturreformen zum Anlass genommen werden, neue Chef-Posten zu schaffen und im Einvernehmen mit künftigen Regierungsparteien zu besetzen“. Nach wie vor ausständig ist ja die Ausschreibung der sogenannten „Channel Manager“ für ORF eins und ORF 2.
Lesen Sie die Resolution hier im Wortlaut:
Finger weg vom ORF!
Der ORF-Redakteursausschuss, das sind die RedakteurssprecherInnen aus allen ORF-Bereichen (Radio, TV, Online, Teletext und Landesstudios) hat bei seiner heutigen Sitzung folgende Resolution einstimmig beschlossen:
Seit Jahren wird eine Reform des ORF angekündigt, so auch jetzt im Vorfeld einer neuen Regierung. Die ORF-JournalistInnen befürchten, dass es der Politik auch diesmal nicht darum gehen wird, das Programm noch besser zu machen und unabhängigen Journalismus zu stärken – sondern um das Durchsetzen eigener parteipolitischen Interessen.
Dabei hat der ORF in der Wahlkampf-Berichterstattung bewiesen, dass qualitativ und quantitativ auf höchstem Niveau gearbeitet wird. Der Publikumszuspruch beweist das: 47 der 50 reichweitenstärksten TV-Sendungen zur Nationalratswahl waren im ORF zu sehen. Die Quoten der Informationsprogramme, allen voran der „Zeit im Bild“, steigen seit Jahren und das Vertrauen der ÖsterreicherInnen in die Berichterstattung von Radio und Fernsehen ist im europäischen Vergleich außergewöhnlich hoch. Die Zahlen zeigen, dass ein Großteil des Publikums mit dem ORF zufrieden ist.
Ganz anders die politischen Parteien, die Stimmung gegen den ORF machen. Formulierungen wie „Zwangsgebühren“, „Rotfunk“ oder „Staatssender“ sollen den ORF beim Publikum diskreditieren, Politiker wollen bei Personalentscheidungen im ORF mitbestimmen und scheuen sich nicht einmal, einzelne JournalistInnen persönlich anzuschwärzen, wenn es gerade ins Wahlkampf-Konzept passt. Das alles mit dem Ziel, selbst vorteilhaft in den Sendungen vorzukommen.
Daher unser Appell an die Politik: es soll bei einer Reform des ORF-Gesetzes nicht um parteipolitische Interessen gehen, nicht um möglichst viel Einfluss der Politik im Programm. Sondern – ganz im Sinne des Vorbilds BBC – um das Fördern des Zusammenhalts des Landes, um die Möglichkeit, alle BürgerInnen am demokratischen Diskurs besser informiert teilnehmen lassen. Das geht nur mit breitenwirksamen Programmen, mit hoher Reichweite, mit einem umfassenden Programm aus Information, Sport, Unterhaltung und Kultur. Und sicher nicht mit einer Zerschlagung des ORF zugunsten von kapitalkräftigen privaten Investoren. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört allen Österreicherinnen und Österreichern, er soll kein Nischenprogramm für Eliten sein und schon gar kein Propagandakanal für politischen Parteien.
Die Eigenständigkeit des ORF und seiner Medien Radio, TV und Online muss im Sinne der Meinungsvielfalt erhalten und gefördert werden, natürlich auch auf den neuen digitalen Verbreitungskanälen. Auch darf die Standort-Diskussion um den Multimedialen Newsroom nicht dazu führen, dass – um teure Neu- oder Umbauten zu rechtfertigen – unabhängige Redaktionen zusammengelegt werden und die journalistische Vielfalt gefährdet wird. Von einem Zerlegen des Kultur- und Informationssenders Ö1 durch ein Aufteilen auf mehrere Standorte halten wir ebenfalls nichts.
Die zahlreichen Sparprogramme der vergangenen Jahre haben die Redaktionen ausgedünnt. So sind etwa die Landesstudios zu einem großen Teil personell unterbesetzt und müssen trotzdem eine wachsende Zahl neuer Sendungen beliefern. Immer weniger Personal mit immer höherem Output, diese Vorgabe führt zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Qualität. Das kann nicht im Interesse des Publikums sein, auch nicht der Geschäftsführung und – hoffentlich – auch nicht im Interesse der Politik. Von dieser fordern wir stattdessen ein Absichern der ökonomischen Basis des ORF.
Von der Geschäftsführung erwarten wir, dass nicht Strukturreformen zum Anlass genommen werden, neue Chef-Posten zu schaffen und im Einvernehmen mit künftigen Regierungsparteien zu besetzen. Unser Appell an die Politik: lasst die ORF-JournalistInnen unter guten Bedingungen ihre Arbeit für das Publikum tun. Nicht mehr, und nicht weniger.
Der Redakteursrat
Dieter Bornemann, Margit Schuschou und Peter Daser