Immer wieder, immer wieder: Parteipolitische Stigmatisierung unter dem Vorwand „Integrationsbarometer“

Date:

TKG warnt vor parteipolitisch finanzierter Stigmatisierung von Musliminnen und Muslimen

von Andreas Günes, Berlin,  19.11.2025

Laut aktuellen Medienberichten war am 17.12.2025, dem Tag, an dem das Integrationsbarometer des Integrationsministeriums der Regierung ÖVP–SPÖ–NEOS durch eine Meinungsforschung 2025 veröffentlicht wurde, Folgendes – quasi als Weihnachtsgeschenk an die ca. 800.000 muslimische Bevölkerung Österreichs, von der die Mehrheit längst integriert ist – zu lesen:

„Probleme mit Muslimen: Rund zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher sind der Meinung, dass das Zusammenleben mit Muslimen schlecht oder eher schlecht funktioniert. 2015 waren es noch 51 Prozent.“

Immer wieder, immer wieder

Wieder ist Weihnachtszeit – und „immer wieder, immer wieder“ erleben wir politisch motivierte Stigmatisierungen von Musliminnen und Muslimen unter dem Vorwand der Integrationsbarometer. Varianten à la carte, die in ihrer Logik und Wirkung an die ausgrenzende Politik eines Karl Lueger erinnern, werden erneut mit Steuergeldern als „Integrationsbarometer“ präsentiert.

TKG erhebt offiziellen Einspruch

Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) hat gegen diese Erhebung offiziell Einspruch erhoben. Aus Sicht der TKG handelt es sich um ein politisch konstruiertes, suggestives und gesellschaftlich spaltendes Instrument, das im Bundeskanzleramt der Republik Österreich von der ÖVP-geführten Integrationsministerin gemeinsam mit Meinungsforschern vorgestellt wurde.

Warnung vor Gefährdung des sozialen Friedens

In ihrer Stellungnahme warnt die TKG ausdrücklich vor der Gefährdung des sozialen Friedens durch eine Erhebung, die eine gesamte Religionsgemeinschaft pauschal stigmatisiert und herabwürdigt. Eine solche Praxis widerspricht nicht nur dem Geist des § 283 StGB (Verhetzung), sondern verletzt zentrale verfassungsrechtliche Grundsätze – insbesondere den unantastbaren Kern des Menschenwürdeschutzes. Die Verfassung ist eindeutig: Niemand darf aufgrund seiner Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Konfession oder Weltanschauung benachteiligt werden.

TKG: Herabwürdigung unter dem Deckmantel der Meinungsforschung

Die TKG stellt klar: Solche herabwürdigenden Aussagen gegenüber muslimischen Menschen in Österreich – unabhängig davon, ob sie längst österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind oder nicht – entstehen unter dem Deckmantel seriöser Meinungsforschung durch suggestive Fragestellungen und werden mit Steuergeldern finanziert, also auch mit jenen der muslimischen Bevölkerung. Seit Jahren wird mit denselben Begriffen und demselben Tonfall gearbeitet, um Muslime in Österreich, in der EU und weltweit zu problematisieren, zu kriminalisieren, zu herabwürdigen und zu delegitimieren.

Forderung nach unabhängiger Forschung

Sollte es notwendig sein, ein Lage- oder Stimmungsbild zum gesellschaftlichen Zusammenleben zu erstellen, so fordert die TKG, dass ein solches Instrument ausschließlich von unabhängigen, wissenschaftlich anerkannten Forschungsinstituten entwickelt wird. Ergänzend spricht sich die TKG für die jährliche Veröffentlichung eines unabhängigen Rassismus-Barometers aus, das strukturelle Diskriminierung in Österreich sichtbar macht.

Verfassungsrechtliche Grenzen werden überschritten

Wenn staatliche Stellen oder durch Wahlen legitimierte Parteien Instrumente einsetzen, die eine Bevölkerungsgruppe kollektiv problematisieren, überschreiten sie die Grenzen der verfassungsrechtlich gebotenen staatlichen Neutralität. Die Republik Österreich ist kein Experimentierfeld für parteipolitische Stimmungserzeugung. Die Grundprinzipien der Bundesverfassung – insbesondere das demokratische, rechtsstaatliche und republikanische Prinzip – verpflichten alle staatlichen Organe zu Sachlichkeit, Gleichbehandlung und Zurückhaltung gegenüber jeder Form der gruppenbezogenen Herabwürdigung.

Res Publica: Das Gemeinwohl ist unantastbar

Die „gemeinsame Sache“ bzw. die „öffentliche Angelegenheit“, also die Res Publica, die sich am gesamten Gemeinwohl orientiert und nur dann funktioniert, wenn die Demokratie intakt ist und damit das Fundament der österreichischen Verfassung bildet, darf nicht für parteipolitische Zwecke instrumentalisiert werden. Wer staatliche Ressourcen nutzt, um gesellschaftliche Gruppen zu spalten, handelt nicht im Sinne der Republik, sondern gegen ihre verfassungsmäßige Grundordnung – mit dem darin verankerten Recht, dass die Menschenwürde nicht verletzt werden darf. Diese Menschenwürde wird jedoch verletzt, wenn Musliminnen und Muslime in Österreich dauerhaft durch parteipolitische Zuschreibungen nach Art einer „à-la-Carte-Karl-Lueger-Politik“ herabgewürdigt werden

TKG-Stellungnahme zum Integrationsbarometer und zur Einhaltung des § 283 StGB

Wien – Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) gibt diese Stellungnahme im Interesse der freiheitlichen, demokratischen und verfassungsgemäß säkularen Republik Österreich ab und warnt eindringlich vor politisch und religiös motivierten Integrationsinstrumenten wie dem „Integrationsbarometer“. Diese Instrumente gefährden nach Ansicht der TKG den gesellschaftlichen Frieden und widersprechen dem Geist des § 283 StGB, der das öffentliche Aufstacheln zu Hass oder die Herabwürdigung religiöser Gruppen unter Strafe stellt.

Pauschalisierung : „Probleme mit Muslimen“ 

Aus aktuellen Medienberichten war Folgendes zu lesen: „Probleme mit Muslimen“ – Rund zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher seien der Meinung, dass das Zusammenleben mit Muslimen schlecht oder eher schlecht funktioniere; 2015 waren es noch 51 Prozent.

Die TKG stellt klar: Solche Aussagen entstehen unter dem Deckmantel seriöser Meinungsforschung durch suggestive Fragestellungen, die mit Steuergeldern – auch jener muslimischen Bevölkerung – finanziert werden. Seit Jahren wird mit denselben Begriffen und demselben Tonfall gearbeitet, um Muslime in Österreich, der EU und weltweit zu problematisieren, kriminalisieren, herabwürdigen und zu delegitimieren. Sollte es notwendig sein, ein Lage- oder Stimmungsbild zum gesellschaftlichen Zusammenleben zu erstellen, so fordert die TKG, dass ein solches Instrument ausschließlich von unabhängigen, wissenschaftlich anerkannten Forschungsinstituten entwickelt wird. Ergänzend spricht sich die TKG für die jährliche Veröffentlichung eines unabhängigen Rassismus-Barometers aus, das strukturelle Diskriminierung in Österreich sichtbar macht.

Die TKG kritisiert scharf: 

„Es ist höchst bedenklich und beschämend, dass ein sich christlich‑demokratisch nennendes, von der ÖVP geführtes Integrationsministerium nach all den historischen Erfahrungen erneut auf suggestive Fragestellungen zurückgreift, deren Antworten von vornherein feststehen. Unter dem Deckmantel angeblicher Meinungsforschung werden rund 1.000 Österreicherinnen und Österreicher telefonisch befragt, um damit 800.000 Musliminnen und Muslime im ganzen Land zu stigmatisieren.

Warum werden in einem Atemzug geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer gesondert abgefragt – ebenso wie Musliminnen und Muslime? Hier werden bewusst Äpfel mit Birnen vermischt, um eine bestimmte Gruppe negativ darzustellen. Besonders deutlich wird dies bei Fragen zum ‚Zusammenleben mit verschiedenen Zuwanderergruppen‘, die in vier Kategorien unterteilt wurden: 

Österreicher und Zuwanderer / Muslime und Nicht‑Muslime / Österreicher und Flüchtlinge / Österreicher und ukrainische Kriegsvertriebene. 

Die Befragten sollen das Zusammenleben jeweils als ‚sehr gut, eher gut, eher schlecht oder sehr schlecht‘ bewerten.

Angesichts zahlreicher Berichte und schrecklicher Ereignisse der vergangenen Jahre ist es nicht überraschend, dass Musliminnen und Muslime in solchen Umfragen schlechter abschneiden. Doch diese negativen Zuschreibungen dürfen niemals pauschal auf alle Musliminnen und Muslime in Österreich übertragen werden.“

„Integrationsbarometer“ versus „Rassismus-Barometer“

Die TKG fordert, dass staatliche Erhebungen zum gesellschaftlichen Zusammenleben ausschließlich von unabhängigen, wissenschaftlich anerkannten Instituten bzw. Meinungsforschern durchgeführt werden. Ergänzend spricht sich die TKG für die jährliche Veröffentlichung eines unabhängigen Rassismus-Barometers aus, das strukturelle Diskriminierung in Österreich sichtbar macht und wissenschaftlich belastbare Daten liefert.

Gefährdung des gesellschaftlichen Friedens

Das sogenannte „Integrationsbarometer“, das von der ÖVP – der de facto politischen Nachfolgepartei der Christlich-Sozialen Partei Karl Luegers – getragen und unterstützt wird, ist kein neutrales, wissenschaftlich unabhängiges Meinungsforschungs- oder Analyseinstrument. Vielmehr handelt es sich um ein politisch und ideologisch konstruiertes Auftragsinstrument, das seit Jahren zur kollektiven und pauschalen Stigmatisierung sowie zur gesellschaftlichen Herabwürdigung von Musliminnen und Muslimen beiträgt. Suggestive Fragestellungen und politisch motivierte Interpretationen erzeugen ein verzerrtes Bild, das mit Steuergeldern – auch jenen der muslimischen Bevölkerung – finanziert wird. Diese Praxis bewegt sich inhaltlich gefährlich nahe an einer staatlich begünstigten Herabwürdigung einer Religionsgemeinschaft und widerspricht dem Schutzauftrag des § 283 StGB. Die fortwährende Erwartung, dass Muslime in Österreich – trotz vielfach belegter Integration – ihr „Gelungensein“ immer wieder neu unter Beweis stellen müssten, ist menschenunwürdig, diskriminierend und steht in klarem Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Grundsatz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Pauschalisierung durch Meinungsforschung

Medienberichte zeigen, dass inzwischen rund zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher das Zusammenleben mit Muslimen negativ bewerten; 2015 waren es noch 51 Prozent. Für die TKG ist klar: Diese Entwicklung spiegelt nicht die Realität des Zusammenlebens wider, sondern ist das Ergebnis jahrelanger politischer Kommunikation, die Muslime systematisch problematisiert und kriminalisiert.

Politische Instrumentalisierung

Unter dem Vorwand des Kampfes gegen den „politischen Islam“ findet seit Jahren eine von den staatlichen Organen mitgetragene Herabwürdigung von Muslimen statt. Dabei werden ausgewählte Akteur:innen gefördert, die politische Narrative bedienen. Unabhängige, pluralistische Stimmen, also muslimische Akteur:innen, werden hingegen systematisch ausgeblendet. Die TKG warnt seit über 35 Jahren vor politisierten Glaubensrichtungen, also politischem Islam (arabisch: Siyasal Islam; türkisch: Siyasal İslami), und fordert, endlich konsequent zwischen tatsächlichen sicherheitsrelevanten Akteuren und der breiten muslimischen Bevölkerung zu unterscheiden – also die Spreu vom Weizen zu trennen, unabhängig von Religion. Die Mehrheit der Musliminnen und Muslime will nicht von Anhängern des politischen Islam vertreten werden, die als nette Feuerlöscher auftreten, aber eigentlich Brandstifter sind. Es reicht!

Muslime als Teil Österreichs

In Österreich leben rund 800.000 Musliminnen und Muslime, davon etwa 400.000 mit Wurzeln in der Türkei. Viele sind Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in vierter Generation und in allen gesellschaftlichen Bereichen vertreten: Ärztinnen, Wissenschaftler, Ingenieurinnen, Unternehmer, Künstlerinnen, Studierende, Arbeiter, Angestellte und Juristinnen. Sie wählen, arbeiten, zahlen Steuern und prägen seit den 1960er-Jahren das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben Österreichs. Diese Erfolgsgeschichte darf nicht durch politisch motivierte Umfragen verzerrt werden.

Integrationsbarometer als „kultureller Rassismus“ (Neorassismus)

Das Integrationsbarometer ist nach Ansicht der TKG ein Beispiel für kulturellen Rassismus (Neorassismus), bei dem Kultur oder Religion als unveränderbare Eigenschaften dargestellt werden, um ganze Gruppen als „nicht integrierbar“ zu etikettieren. Die TKG betont: „Integration lässt sich nicht mit einem Barometer messen – schon gar nicht mit einem Instrument, das Vorurteile reproduziert.“

Historische Kontinuität problematischer Praxis

Bereits eine Profil-Recherche vom 26.06.2014 belegte, dass der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) unter ÖVP-Führung für politisch verwertbare Anti-Muslim-Narrative eingesetzt wurde. Die damalige „Moslem-Studie“ wurde ohne Ausschreibung finanziert, und darauf basierend wurden falsche Zahlen verbreitet. Die TKG sieht im heutigen Integrationsbarometer eine Fortsetzung dieser politischen Praxis. Auch die UN-Sonderberichterstatterin Ashwini K. P. dokumentierte in Österreich tief verankerte rassistische Strukturen, verbreitetes Racial Profiling und mangelnde Problemerkennung durch staatliche Stellen. Wir warnen in aller Freundschaft. Anstatt diese Befunde ernst zu nehmen, setzt das Integrationsministerium weiterhin auf Instrumente, die Vorurteile verstärken. Die ZEIT berichtete am 9. Dezember 2025 wie folgt: „UN-Sonderbeauftragte kritisiert verbreiteten Rassismus in Österreich“. Nach einem einwöchigen Besuch in Österreich hat die UN-Sonderberichterstatterin den in dem Land verbreiteten Rassismus kritisiert. Die Regierung in Wien müsse dringend handeln.

Mit allem gebotenen Respekt und in Würde

Mit allem gebotenen Respekt und in Würde fordern wir, nicht diskriminiert, verfolgt oder satanisiert zu werden. Die TKG fordert die Bundesregierung auf, problematische Gruppen, Sekten oder Einzelpersonen präzise und namentlich zu benennen, sofern diese tatsächlich sicherheits- oder rechtsrelevant sind – anstatt eine gesamte Religionsgemeinschaft bzw. Musliminnen und Muslime als Menschen pauschal zu diffamieren. Eine solche Pauschalierung widerspricht § 283 StGB, der staatlichen Neutralitätspflicht, der Gleichbehandlung sowie den Garantien der EMRK (Art. 9 und Art. 14). Was staatliche Stellen für sich selbst niemals akzeptieren würden, dürfen sie auch Angehörigen des Islam nicht zumuten. Die große Mehrheit der Musliminnen und Muslime in Österreich ist pluralistisch, heterogen und rechtsstaatlich loyal. Sie stehen hinter den Werten der säkularen, demokratischen Republik Österreich, schützen diese aktiv und leben hier seit Jahrzehnten erfolgreich, gleichberechtigt und in Würde.

Forderungen der TKG

Sofortige Beendigung politisch motivierter Instrumente, die Muslime kollektiv herabsetzen bzw. herabwürdigen. Vollständige Transparenz über die Verwendung von Steuergeldern im Integrationsbereich. Einführung eines unabhängigen, wissenschaftlich fundierten Rassismus-Barometers. Konsequente Einhaltung der gesetzlichen Schutzbestimmungen, insbesondere des § 283 StGB. Eine Integrationspolitik, die auf säkularen, freiheitlich-demokratischen, vielfältigen und rechtsstaatlichen Grundsätzen sowie auf Gleichbehandlung und Menschenwürde basiert. Die TKG appelliert an Politik, Medien und Institutionen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in diesen schwierigen Zeiten gerecht zu werden – in aller Freundschaft und mit dem gebotenen Respekt. ( Andreas. Günes, Berlin, 19.12.2025)

Quellen:
TKG: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20251218_OTS0086/tkg-stellungnahme-zum-integrationsbarometer-und-zur-einhaltung-des-283-stgb
EU https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0565&from=DE

WEISSER RING: https://www.weisser-ring.at/oesterreich-muss-seine-verantwortung-im-kampf-gegen-rassismus-wahrnehmen/

Share post:

Subscribe

spot_imgspot_img

Popular

More like this
Related

„Belohnung für Verleumdung!“

„Belohnung für Verleumdung!" İftiraya ödül! Am Wochenende, den Tag des...

Turkish journalist Barış Terkoğlu detained: Reporting the News or Judicial Pressure?

Journalist Barış Terkoğlu was detained on charges of 'publicly...

Journalisten Klenk, Stajić und der SPÖ-Minister, Grünen üben scharfe Kritik an der ÖVP-Kampagne

Bereits vor drei Tagen hatte TKG gewarnt Die von der...

Atma Şiwan, din kardeşiyiz: Fake History / Sahte Tarih

Andreas Güneş-Analiz, Berlin, 16.12.2025 “Tarihçi” etiketiyle sunulan ideolojik anlatıya üç...