Faktum-Türkei 2 : Die Gewaltenteilung aufgehoben- Eine Gefahr für Europa

Am 16. April wird über die Verfassungsänderung in der Türkei abgestimmt. In Deutschland, in Österreich, in Holland, Frankreich, in der Schweiz kurz im Ausland lebende Türkische Staatsbürger dürfen ihre Stimme bereits seit dem 27. März bis 9. April abgeben.

Die Verfassungsexperten des Europarates („Venedig-Kommission“) warn „Ein-Personen-Regime“ in der Türkei gewart: So lautet die Schlussfolgerung eines endgültigen, von der Kommission verabschiedeten Gutachtens über die vorgeschlagene Verfassungsänderung, die Gegenstand eines Referendums im kommenden Monat ist. Die Befugnisse des Präsidenten werden so ausgeweitet, dass er die Exekutive, Legislative und Judikative kontrolliert, womit die Gewaltenteilung aufgehoben wird.

1) Präsident wird zum Chef der Exekutive. Das Ministerpräsidentenamt und der Ministerrat werden mit Streichung des Artikels 109 abgeschafft. Stattdessen ermächtigt der ergänzte Artikel 104 den Präsidenten, den Vizepräsidenten und den Minister zu berufen und zu entlassen. Die Minister werden nicht mehr vom Parlament, sondern vom Staatspräsidenten kontrolliert.

2) Der Staatshaushalt wird nicht mehr vom Ministerrat (Artikel 162 wird aufgehoben) dem Parlament vorgelegt, sondern vom Staatspräsidenten (neuer Artikel 161). Die nationale Sicherheitspolitik wird vom Ministerrat auf den Staatspräsidenten übertragen (Änderungen der Artikel 104, 117 und 118).

3) Der Ausnahmezustand wird nicht mehr vom Parlament (Artikel 120 wird abgeschafft), sondern künftig vom Staatspräsidenten ausgerufen (Artikel 120). Es wird hier der Anschein erweckt, die Gesamtdauer des Ausnahmezustandes werde auf insgesamt 10 Monate beschränkt. Jedoch entfällt diese zeitliche Beschränkung für den Kriegsfall. Das legt die Befürchtung nahe, dass Erdogan bereits einen Krieg ins Auge gefasst hat.

 

4) Die Verfassungsänderungen sehen folglich vor, die exekutiven Kompetenzen des Staatspräsidenten in einem starken Maße auszuweiten. Der Staatspräsident soll darüber hinaus einen Zugriff auf die Legislative bekommen, der dem Gedanken der Gewaltenteilung widerspricht.

5) Das Parlament darf Minister nicht mehr mündlich befragen (Art. 105). Das Parlament kann die neue Regierung nicht mehr mit einem Vertrauensvotum bestätigen (Art. 110).

6) Ein Misstrauensvotum gegenüber der Regierung ist nicht mehr möglich (Art. 109 wird abgeschafft).

 

7) Dekrete mit Gesetzeskraft (Art. 87) werden nicht mehr vom Parlament, sondern vom Staatspräsidenten verabschiedet (Art. 104).

 

8) Der Staatspräsident muss nicht mehr seine Parteizugehörigkeit (Art. 101) ablegen. Da der Präsident und das Parlament am gleichen Tag gewählt werden und den türkischen Parteien die innerparteiliche Demokratie weitgehend fremd ist, wird die größte Fraktion im Parlament von Erdogan bestimmt.

 

9) Mit dem Referendum von 2010 hatte Erdogan durchgesetzt, dass die Zahl der Mitglieder des Hohen Rates der Richter und Staatsanwälte von 7 auf 22 erhöht wurden (Art. 159). Somit konnte Erdogan seine Leute in dieses Gremium implementieren. Jetzt will er den Rat auf 13 Mitglieder verkleinern und weitgehend von sich und seiner Fraktion im Parlament bestimmen lassen.

 

10) 12 von 15 Mitgliedern des Verfassungsgerichtes werden von Erdogan und drei von seiner Partei im Parlament bestimmt. Während die Macht und Immunität des Staatspräsidenten maßlos ausgebaut wird, wird seine Rechenschaftspflicht vor dem Verfassungsgericht durch die von ihm gewählte Richterschaft ausgeschaltet.

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