Sie waren die juristische Grundlage für die Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung Deutschlands: Am 15. September 1935 wurden die „Nürnberger Gesetze“ verabschiedet. Als Resultat der nationalsozialistischen Rassenideologie waren sie eine Vorstufe der systematischen Ermordung von 5,7 Millionen Juden.
Berlin(bpb)-Am 15. September 1935, während Adolf Hitler auf dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg weilte, wurden die „Nürnberger Rassengesetze“ vom Berliner Reichstag angenommen und von dessen Präsidenten Hermann Göring verkündet. Mit den Nürnberger Gesetzen wurde die Degradierung jüdischer Bürger zu Menschen minderen Rechts besiegelt und ihre gezielte Diskriminierung vorbereitet.
Die Gesetze bestanden aus drei Einzelgesetzen: dem „Reichsflaggengesetz“, dem „Reichsbürgergesetz“ und dem sogenannten Blutschutzgesetz. Das „Reichsflaggengesetz“ erhob die Farben Schwarz-Weiß-Rot zu den Nationalfarben und die Hakenkreuzfahne wurde zur Nationalflagge. Das „Reichsbürgergesetz“ teilte die Deutschen in „Staatsbürger“ und „Reichsbürger“ auf: Nur Angehörige „deutschen und artverwandten Blutes“ sollten einen Anspruch auf volle Bürgerrechte haben. Juden hingegen konnten lediglich Staatsbürger des Deutschen Reichs sein – ohne politische Rechte. Sie waren keine Reichsbürger, durften keine öffentlichen Ämter bekleiden und verloren jegliches Stimmrecht. Die staatsbürgerliche Gleichstellung aller Deutschen wurde dadurch per Gesetz abgeschafft. Als Jude galt fortan, wer drei jüdische Großeltern hatte, der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehörte oder mit einem sogenannten „Volljuden“ verheiratet war. Im November des selben Jahres wurde in einer ergänzenden Verordnung festgelegt, wann genau jemand als „Volljude“, „Halbjude“ oder „Vierteljude“ zu bezeichnen war.
Das dritte Gesetz, das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, regelte schließlich die Beziehungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen: Dieses sogenannte Blutschutzgesetz stellte die Eheschließung zwischen Juden und „Staatsangehörigen deutschen Blutes“ unter Strafe und sah für den Fall Gefängnisstrafen vor. Auch der außereheliche Geschlechtsverkehr wurde unter Strafe gestellt. Juden wurde es zudem untersagt, „arische“ Dienstmädchen unter 45 Jahren in jüdischen Haushalten zu beschäftigen.
Bereits in ihrem Parteiprogramm von 1920 hatte die NSDAP den Ausschluss jüdischer Bürger aus dem öffentlichen Leben gefordert: „Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksicht auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein“. Die Umsetzung dieser politischen Absicht in antijüdische Gesetzgebung begann schon kurz nach der Machtübernahme Hitlers.
Nach der Verkündung der Nürnberger Gesetze 1935 wurde die Rechtsstellung der Juden durch eine Vielzahl weiterer Gesetze und Verordnungen zunehmend beschränkt – fast alle Bereiche des öffentlichen wie des privaten Lebens waren davon betroffen. Besuchten zum Beispiel 1933 noch 75 Prozent der jüdischen Kinder öffentliche Schulen, so waren es Ende 1937 nur noch knapp 40 Prozent. Bis 1938 hatten die deutschen Juden nahezu alle Grundrechte verloren, bevor Gewalt zum bestimmenden Merkmal der nationalsozialistischen Politik gegenüber Juden wurde.
Die nationalsozialistische Rassengesetzgebung diente der Vorbereitung der millionenfachen Ermordung der von den Nationalsozialisten als „rassisch minderwertig“ erklärten Menschen. Der unmissverständliche Genozidplan wurde schließlich auf der Berliner „Wannsee-Konferenz“ am 20. Januar 1942 von der NSDAP-Parteispitze als „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen: die systematische Deportation der Juden und die Auslöschung des gesamten Judentums.
1939 lebten über neun Millionen Juden in Europa – 1945 waren es nur noch 3,5 Millionen. Nahezu 5,7 Millionen Juden hatten ihr Leben durch die Massenmorde der Nationalsozialisten verloren.
Die planmäßige Ausgrenzung und Verfolgung der Juden stand im Mittelpunkt der nationalsozialistischen Genozidpolitik, doch auch andere Bevölkerungsgruppen wurden diskriminiert. Geistig und körperlich Behinderte, psychisch Kranke, Homosexuelle sowie Sinti und Roma: Sie alle wurden als „Gemeinschaftsfremde“ stigmatisiert, verfolgt und ermordet. Die politischen Gegner der NSDAP, Sozialdemokraten, Kommunisten und andere wurden ebenso zu Opfern des nationalsozialistischen Terrors, wie regimekritische Künstler und Intellektuelle.
Die Stadt Nürnberg, deren Name weiterhin mit den menschenverachtenden Rassengesetzen verknüpft ist, setzt heute auf Menschenrechtsaktivitäten – als „Antwort der Stadt Nürnberg auf die staatlich verordneten Menschenrechtsverbrechen jener Jahre“. Zum Jahrestag der Nürnberger Gesetze verleiht sie seit 1995 alle zwei Jahre Ende September den Internationalen Menschenrechtspreis: Zuletzt 2009 an Abdolfattah Soltani, der sich für die Anerkennung der Menschenrechte in Iran einsetzt. Am 25. September 2010 wird erstmals der neu geschaffene „Nürnberger Preis für diskriminierungsfreie Unternehmenskultur“ verliehen. (Bundeszentrale für Poltische Bildung)